Törn und Regatta mit SY ANITA vom 8. bis 15. Juni [zurück]

 

Vorbemerkung:

Dieser Bericht gibt den Ablauf der Ereignisse wieder, aber er will nicht neutral sein, denn er wird geschrieben von einem Mitglied der Crew, das aber trotzdem außerhalb der Crew stand.

Sonntag:

Anreise gemeinsam mit dem Skipper des Törns Thomas Seelbach und seiner Mutter, die während wir segeln Urlaub machen wird. Die Reise geht nach Flensburg. Dort findet die Robbe & Berking Classics statt, an der viele Traditionssegler teilnehmen werden. Zwei Tage vorher segeln die 12mR Yachten , also Schiffe wie die ANITA, 5,5m und 6mR Yachten in der Flensburger Förde den Robbe & Berking Sterling Cup aus. Die ANITA ist für alle Regatten gemeldet.
Am späten Nachmittag kommen wir in Flensburg an. Hans-Georg, genannt Goff unser I WO und Falko, II WO und Steuermann sind schon da ,und haben begonnen das Fahrtenschiff ANITA zum Regattaschiff umzurüsten. Es ist angenehm warm, eine leichte Seebrise weht und wir bringen Gepäck, Lebensmittel und Ausrüstung, die wir mitgebracht haben auf das Schiff. Gewitterwolken türmen sich auf , es beginnt heftig zu regnen, Blitz und Donner, Gewitterböen peitschen über den relativ offenen Hafen. Es ist jetzt 10 Grad kälter als im Rheingau, aus dem die meisten Mitsegler kommen.
Günther, Renate, Henning und Jost, unser Taktiker sind eingetroffen. Mit diesen 8 Personen ist die Crew für den ersten Teil des Törns komplett. Geplant ist ein Kurztörn nach Sonderburg in Dänemark von etwa 25 Seemeilen, um das Schiff zu testen und um sich näher kennen zu lernen, denn nicht alle haben schon zusammen gesegelt.
In Sichtweite der ANITA gemeinsames Fischessen.
Abends interessante Gespräche und viel Lachen über die Witze, die Jost auf Lager hat. Eine Kostprobe: Ein Bayer und ein Österreicher gehen zusammen Weinbergschnecken sammeln. Nach zwei Stunden treffen sie sich. Der Bayer mit einem Korb voller Schnecken, der Österreicher mit nur zwei in seinem Korb. Fragt der Bayer: „Was ham´s gemacht?“ Antwortet der Österreicher: „ I hob viel Schnecken gsehn, hab mi buckt, um se zu fassn, aber husch, husch, weg warns.

Der Wind ist geblieben und nimmt in der Nacht noch zu. Er heult in der Takelage, aber ANITA liegt sicher zwischen ihren vier Dalben.

Montag:

Starker, böiger Wind, der genau quer zu ANITA auf das Land steht. Frühstück, dann Reparaturen, u.a. werden neue Segellatten ins Großsegel gemacht, da die alten zu kurz sind. Alles wird sehr sorgfältig vorbereitet, um das Schiff in einen möglichst optimalen Zustand für die Regatta zu bringen.
Endlich gegen frühen Nachmittag flaut der Wind etwas ab. ANITA wird in den Wind verholt. Das Ablegen klappt perfekt. Es zeigt sich, dass sehr erfahrene Segler an Bord sind.
Raumschots mit bis zu sieben Windstärken nach Sonderburg. Teilweise erreichen wir die Rumpfgeschwindigkeit der ANITA von 9 kn. Nach circa 3 Stunden im Hafenbecken. Beim Anlegen verbreiten wir Angst und Schrecken bei einigen Besitzern kleinerer Boote, die glauben wir würden uns mit diesem Riesenschiff auf sie legen. Aber wir gehen nur längseits und verholen uns in eine Lücke, gerade groß genug für das Schiff. Es ist eben immer wieder spannend mit einem Schiff unterwegs zu sein, das ohne Maschine gefahren wird.
Abends kocht Renate eine wunderbare Thaisuppe, die sie teilweise zu Hause vorbereitet hat. Als sie mir das vorgekochte Huhn im Einweckglas zeigt, kommt mir die Assoziation eines Fötus in Formalin, aber meinem Appetit tut dies keinen Abbruch.
Nach dem Essen ein Rundgang durch das Örtchen, - allein, die Anderen sind vorgegangen- vorbei an Kunstgalerien für Touristen und alten Treppengiebelhäusern, die stolz die Jahreszahl 1864 tragen.
Der Ort ist wie ausgestorben, kaum Leute auf der Straße, die Kneipen leer, der Himmel grau und man hört nur den Wind. Wie kann man nur hier leben?
Abends wird es lustig. Renate und Jost geben unserem Skipper Thomi und Steuermann Falko Unterricht im Doppelkopf. Goff und Günther sind Berater der Neulinge. Man kann Charakerstudien treiben: Unser Skipper vorsichtig und umsichtig abwägend, unser Steuermann mit rascher Auffassungsgabe kühl reagierend, Renate offen und diplomatisch und Jost zurückhaltend, klug taktierend, Goff der Chef des Vorschiffs impulsiv, möchte aus allem das Beste machen.

Dienstag:

Kreuzen bei leichtem Wind und starkem Strom unter Vollzeug aus der engen Hafeneinfahrt. Hier ist Maßarbeit gefragt, denn rechts und links wird es schnell flach, aber wie sich zeigt für Rheinsegler kein besonderes Problem.
Bei leichtem Wind werden auf der Rückfahrt nach Flensburg alle Vorsegel und der Spinacker getestet. Dabei wird festgestellt, dass die wichtigste Genua ohne Reparatur bei der Regatta nicht einsetzbar ist. Henning erklärt sich bereit am selben Abend noch nach Hamburg zum Segelmacher zu fahren, um sie repariert zu bekommen. Es ist diese Einsatzfreude, dieser gemeinsame Wille den Törn, sei er auch nur 25 Seemeilen nach Sonderburg und die anschließende Regatta möglichst optimal durchzuführen, die diese Crew zu etwas besonderem machen.
Auch in den weiteren Tagen, die wir zusammen waren, habe ich nie erlebt, dass sich ein Crewmitglied vor einer Sache, die getan werden musste gedrückt hätte, auch, wenn dies mal nicht so angenehm war. Ein gutes Beispiel ist die Backschaft: Sie wurde nie eingeteilt, aber trotzdem spülte nicht immer die- oder derselbe.
Gegen 17.00 Uhr machen wir fest im Hafen von Flensburg.
Heute kommt der Rest der Crew, Anneli, Annina, Philipp, Malte, Leopold, kurz Leo und Sebastian.
Aus einem Brief des Skippers an die Crew:“ Wir liegen ab Dienstag mit ANITA jeden Abend im Hafen von Flensburg. Auf dem Schiff können 10 Personen schlafen. Weiterhin habe ich von Dienstag bis Sonntag eine ca. 85 m² Wohnung mit Dachterrasse in Hafennähe gemietet, so dass ANITA von dort aus bequem zu Fuß zu erreichen ist. Diese Wohnung ist als Stützpunkt und zum Kochen für die gesamte Crew gedacht. Weiterhin dient sie als komfortable Übernachtungsmöglichkeit für die Crewmitglieder, für die ANITA möglicherweise zu eng ist.“
Renate, Malte, Günther und ich gehen in die Wohnung.
Abends trifft sich die ganze Crew dort. Malte hat unter Assistenz von Renate ein leckeres Gulasch mit Rotkraut, Klössen und Spätzle gekocht. Nachtisch Mousse au Chocolat, gerührt und nicht geschüttelt.
Es stellt sich heraus, dass Karl- Heinz nicht kommen kann, da er sich schwer erkältet hat. Mit seiner Digitalkamera wollte er einen Bericht über die Regatta machen. Wie selbstverständlich fällt nun mir diese Aufgabe zu, da mich die Crew als Fernsehjouralist am ehesten dafür kompetent hält. Ich akzepiere dies wider besseres Wissen, denn ich bin eigentlich nicht zum Filmen mit gefahren, sondern ich wollte beim Segeln meinen Alltag vergessen. Außerdem bin ich kein Kameramann, drehe also eher selten, und wenn, dann mit Profigerät. Im Lauf der nächsten Tage zeigt sich, dass die Entscheidung trotzdem zu filmen für mich falsch war. Ich bin kein Hobbyfilmer und nehme daher diese Aufgabe vielleicht zu ernst, jedenfalls fühle ich mich plötzlich fremd auf dem Schiff, als Beobachter. Außerdem ärgere ich mich permanent über die Kamera, die häufig und meist dann, wenn es spannend wird, ausfällt.

Mittwoch:

Nach gemeinsamem Frühstück und Anstehen an der Dusche laufen wir bei SW 6-7 aus. Eigentlich ist dieser Tag als Trainingstag gedacht, denn die Regattacrew ist zum ersten Mal gemeinsam auf dem Schiff. Geplant ist ein Manövertraining, bei dem alle Segel getestet werden sollen. Aber es kommt anders.
Zunächst müssen wir das Großsegel wegnehmen. Wir kreuzen unter Arbeitsfock und Besan. Plötzlich ein Aufheulen, begleitet von dem Kommentar „Scheiß Winsch“!!!
Im Logbuch der ANITA heißt es später : „Crewmitglied Philipp hat sich dadurch, dass sich beim Durchrauschen der Backbordwinsch die Winschkurbel sehr schnell durchdrehte an beiden Händen stärker verletzt. Am linken Daumen ist das Nagelbett gebrochen.“
Für Philipp ist damit das Segeln nur noch sehr eingeschränkt möglich. Unsere Ärztin an Bord, Renate, kümmert sich um ihn.
Wir segeln zurück und sind bereits 13.30 wieder fest im Flensburger Hafen.
Beim Auseinandernehmen und Reparieren beider Winschen stellt Jost fest, dass sie beide falsch montiert waren.
Abends steigt eine große Fete. Alle Teilnehmer an der Regatta sind eingeladen zu einer Fahrt mit dem Raddampfer FREYA. Es gibt ein tolles Büffet und Alkohol in Strömen. Entsprechend lustig und lang wird der Abend. Für die, die auf dem Schiff schlafen dauert er bis in die Morgenstunden. ANITA liegt im Päckchen mit anderen 12ern und natürlich wird auf den Schiffen weitergefeiert.

Donnerstag, Freitag:

Die beiden Wettkampftage für die Meterklassen.
Es finden 4 Wettfahrten statt, 2 pro Tag. Schnell zeigt sich, dass das Fahrtenschiff ANITA mit seinem geteilten Rigg gegen die hochgetakelten 12er nur schwer ankommt. Erst bei mehr Wind kann das Schiff sein Geschwindigkeitspotential gegen die Slupjachten zur Geltung bringen. Dass sie überhaupt mithalten kann, ist nur der großartigen taktischen Leistung unseres Skippers und Taktikers, sowie unserem souveränen Steuermann zu verdanken. Vor allem Falko unser Steuermann führt das Schiff perfekt, was sich vor allem in brenzligen Situationen am Start zeigt. Auch die Crew wird sehr schnell von Wettfahrt zu Wettfahrt besser, weil man sich mehr aufeinander einspielt. Meine persönliche Meinung daher: Mit regattatauglicherem Schiff und eingespielterer Mannschaft wäre sicher einer der vorderen Plätze möglich gewesen.
Aber auch so bleibt das Ergebnis für ANITA bemerkenswert: Von sieben gemeldeten 12ern der 5.Platz, wobei die Flica II nicht antrat. Geschlagen wurde aber die WESTWIND. Überlegen gewinnt TRIVIA, zweiter Platz THEA, OSTWIND wird Dritte und EVIANE Vierte, wobei zwischen den Plätzen drei bis fünf jeweils nur ein Zähler liegt.

Samstag:

Bisher waren die Meterklassen unter sich und segelten „up and down“ Wettfahrten.
Freitagabend füllt sich der Hafen mit klassischen Jachten allen Alters und unterschiedlichster Größe. Für Liebhaber alter Segelschiffe eine echtes Ereignis.
Sie alle nehmen Teil an der ROBBE & BERKING CLASSICS, einer Langstreckenregatta in der Flensburger Förde. Neben den 12ern gibt es 12 weitere Startgruppen, in denen über 200 klassische Jachten an den Start gehen, vom großen Kutter bis zur Jolle.
Aus dem Logbuch der ANITA: „ROBBE & BERKING CLASSICS gesegelt. NW 2-3, später 3.
5. Platz von 6 12ern . OSTWIND ist eine Minute vor uns im Ziel. Nach berechneter Zeit liegen wir vor ihr.“
OSTWIND beim Sterling Cup Dritte wird jetzt von ANITA geschlagen. Dies zeigt erneut das Geschwindigkeitspotential der Jacht und die Qualität der Mannschaft.

Sonntag:

Rückreise und
Fazit: Es waren wunderschöne Segeltage. Wind ,viel Sonne eine bemerkenswerte Crew , spannendes Segeln, und alles in allem ein achtbares Ergebnis für ANITA.